Rede zur Jubiläumsfeier 25 Jahre Praxengemeinschaft und 15 Jahre Akademie für Psychotherapie am 06.06.2014
Dr. Josef Könning - Ausbildungsleiter
Sehr geehrte Damen und Herren, Liebe Familie, Liebe Freunde und Kollegen.
Vor 15 Jahren wurden nach langjährigem Kampf die beiden Approbationsberufe der psychologischen Psychotherapeutin und der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin als neue Heilberufe per Gesetz geschaffen. Dem damaligen Gesundheitsminister sei Dank. Viel Lobbyarbeit war erforderlich um eine Mehrheit für dieses Gesetz im Deutschen Bundestag sicherzustellen. Auch hier in Osnabrück haben wir damals vom Sprecherrat versucht, die Bundestagsabgeordneten zu überzeugen für dieses Gesetz zu stimmen.
Heute gibt es 40 000 approbierte Psychotherapeuten in der Bundeskammer. 18 000 Psychologische Psychotherapeutinnen und Kinder und Jugendlichen Psychotherapeutinnen haben einen eigenen Kassensitz und nehmen an der Versorgung teil. Im Durchschnitt leisten sie 27 Therapieeinheiten in der Woche, das entspricht etwa einer 40-Stunden-Woche.
Mein erster Kontakt mit der Verhaltenstherapie entstand während meines Zivildienstes in Haus Hall, einer Einrichtung für geistig Behinderte im Münsterland. Gemeinsam mit der Heimpsychologin strukturierten wir einen systematischen Verhaltenstherapeutischen Veränderungsprozess mit Time-out, Tokenökonomie und Co-Therapeuten. Anleitend für uns war damals eine neue Veröffentlichung von Vera Kuhlen: Verhaltenstherapie im Kindesalter. In der Veröffentlichung waren evaluierte Verhaltenstherapiekonzepte für Störungsbilder im Kindesalter aus der internationalen Literatur zusammengefasst. Es ist mein erstes Verhaltenstherapie-Lehrbuch und steht heute noch in der Bücherei in der AKJP.
Ursprünglich wollte ich nach dem Abitur Lehrer werden. Aber nach meiner Zivildienstzeit bewarb ich mich um einen Studienplatz in Psychologie.
Als ich vor 40 Jahren mit dem Psychologiestudium in Münster begann, war zu der Zeit der Dipl. Psychologe vor allen Dingen der Experte für Psychodiagnostik.
Münster war eine der wenigen Universitäten, an denen Verhaltenstherapie und Gesprächstherapie in der klinischen Psychologie gelehrt wurden. Wenige Psychotherapeuten arbeiteten damals in der Kostenerstattung in freier Praxis.
1987 wurde die Verhaltenstherapie erst in den Leitungskatalog der Richtlinientherapie aufgenommen und damit Kassenleistung.
Die gesellschaftliche Bedeutung der Psychotherapie ist seitdem rapide gewachsen.
Nach dem Studium durfte ich mit Herrn Dr. Trappe die Kinder- und Jugendpsychiatrie am Kinderhospital aufbauen. Schon damals waren Dipl. Psychologen Stationsleiter, es gab einen leitenden Psychologen und die gleichberechtigte Zusammenarbeit von Arzt und Psychologe.
Bis heute ist das nicht in allen Kliniken selbstverständlich. Wir kämpfen in der Psychotherapeutenkammer Niedersachsen darum, dass der Beruf des approbierten PP und KJP im Landeskrankenhausgesetz auf Facharztniveau verankert wird. Das muss der Gesetzgeber für uns regeln. Gleiche Bezahlung muss in den Tarifverträgen festgeschrieben werden. Verbindliche Mindeststandarts der stationären psychotherapeutischen Versorgung muss der Gemeinsame Bundesausschuss in den nächsten Jahren definieren.
Meine Damen und Herren.
Am Pfingstsamstag vor 25 Jahren fand meine damalige Frau Andrea durch eine Zeitungsanzeige das Haus in der Bohmter Straße 1. Das war der Beginn der Praxengemeinschaft Bohmter Straße. Ich freue mich, dass der Vermieter, Herr Dr. Süß heute mit seiner Frau mit uns feiert.
Nach schweißtreibenden Renovierungsarbeiten konnte die Arbeit beginnen.
Als ich mit der Praxisgründung in die ambulante Tätigkeit wechselte, war ich der vierte niedergelassene Kassenpsychotherapeut im Delegationsverfahren in Osnabrück. Damals war meine Praxis innerhalb weniger Wochen mit Patienten gefüllt. Allerdings wunderte ich mich, dass es fast nur AOK Patienten waren bis ich begriff, dass diese Patientengruppe damals besonders unterversorgt war.
Heute gibt es in der Region Osnabrück ca. 100 Kassenpsychotherapeuten.
Nicht die Anzahl der psychischen Erkrankungen ist gestiegen, sondern die Bereitschaft der Menschen, sich mit seelischer Erkrankung, seelischem Leid und Schmerz nicht mehr zu verstecken sondern sich offensiver damit auseinanderzusetzen und Therapie in Anspruch zu nehmen.
Epidemiologische Studien über die Häufigkeit psychischer Erkrankungen zeigen, dass die Erkrankungsrate gleich bleibt mit ca. 30% Jahresprävalenz. Geändert hat sich das Inanspruchnahmeverhalten der Patienten. Und das ist gut so.
Die Psychotherapieforschung zeigt, dass es wirksame psychotherapeutische Methoden gibt, um seelisches Leid zu verringern. Und das zahlt sich auch noch volkswirtschaftlich aus. Die Studie der Techniker-Krankenkasse von 3 Jahren ergab: Jeder Euro, der für Psychotherapie ausgegeben wird, spart volkswirtschaftlich an anderer Stelle drei Euro ein.
In den S3 Leitlinien für die Behandlung seelischer Erkrankungen wird immer häufiger die evidenzbasierte Psychotherapie ergänzend oder alternativ zur medikamentösen psychiatrischen Behandlung gefordert.
Die langen Wartezeiten in den ländlichen Gebieten zeigen, dass der Bedarf an Psychotherapie noch lange nicht gedeckt ist. Geschätzt erhält jeder dritte psychisch Kranke, bei dem PT indiziert ist, heute erst eine Therapie. Die Not der Menschen zu sehen aber keinen Behandlungsplatz anbieten zu können stellt für die Kolleginnen in der Niederlassung eine zusätzliche Belastung im Beruf dar.
Unsere Gesellschaft braucht mehr PT in Zukunft.
Das fand auch der ehemalige KBV Vorsitzende Dr. Köhler in einem Vortrag in Berlin zur Reform des PTG. Angesichts des Hausarztmangels auf dem Land könnten seiner Meinung nach PPinnen und KJPinnen über die Befugniserweiterungen für den großen Bereich der psychosomatischen Beschwerden ohne körperliche Ursache zuständig werden. Sie könnten zusätzliche Aufgaben im Bereich der Prävention und der Rehabilitation übernehmen.
Denn: Der Beruf der PPinn und der KJPinn ist sehr gefragt. Es gibt keinen Nachwuchsmangel wie bei den Haus- oder Fachärzten.
Allerdings gibt es seit der Verabschiedung des PT Gesetzes vor 15 Jahren zwei große Probleme, die in den nächsten Jahren gelöst werden müssen.
1. Die Position der Ausbildungsteilnehmer in der praktischen Tätigkeit in der Klinik muss berufsrechtlich geklärt werden, und die Bezahlung muss der Gesetzgeber regeln.
2. Der akademische Zugang zur Psychotherapieausbildung muss bundeseinheitlich auf Masterniveau (EQ 7) geregelt werden.
Und wir müssen alles dafür tun, die hohe Qualität der PT Ausbildung, die es heute in Deutschland an den universitären und privaten Ausbildungsstätten gibt, zu erhalten. Die hohe Qualität der Ausbildung wurde von den Autoren des Psychotherapiegutachtens 2009 festgestellt. Wir selbst haben an der AKJP mit dem Fachverband hierzu eine detaillierte Evaluation durchgeführt.
Der Deutsche Psychotherapeutentag hat einen Vorschlag gemacht, wie die oben genannten Probleme gelöst werden können und die Qualität der Ausbildung erhalten bleiben kann.
Er hat 2010 entschieden, aus den beiden Berufen PP und KJP einen Beruf des Psychotherapeuten zu machen. Das Studium schließt mit Staatsexamen und einer Berufsausübungserlaubnis ab. Einer postgradualen gemeinsamen Ausbildung folgt dann die Spezialisierung im Bereich Kinder- oder Erwachsenentherapie im zweiten Ausbildungsschritt. Der Zugang zur Ausbildung sollte durch Masterabschluß mit einem Mindestanteil an psychologischen Grundlagen geregelt werden.
Durch dies Modell sollte die bisherige Qualität der Ausbildung erhalten und ausgebaut werden.
Diese Vorstellungen der Profession hat der Gesetzgeber bisher nicht aufgegriffen und in einer Reform des Psychotherapeutengesetzes umgesetzt.
Das Gesundheitsministerium möchte aus „Gründen der Rechtsgleichheit“ die Ausbildung zur Psychotherapeutin genau so gestalten wie die Ausbildung zur Medizinerin.
Es soll an den psychologischen Instituten ein Universitäres Psychotherapiestudium geben, in dem es auch praktische Ausbildungsanteile „am Krankenbett“ gibt. Die Approbation wird am Ende des Studiums verliehen mit der uneingeschränkten Heilkundeerlaubnis für die Behandlung von Kindern und Erwachsenen.
Die psychotherapeutische Fachkunde wird in einer curricularen Weiterbildung nach der Approbation erworben.
Meine Damen und Herren,
Psychotherapie und Medizin sind weibliche Berufe geworden. 90 % der Kindertherapeuten sind Frauen, 75 % der psychologischen Psychotherapeuten sind Frauen und 70 % der Mediziner in Ausbildung sind Frauen. Umgekehrt sind 75 % der Klienten in der Psychotherapie Frauen. Ich hoffe, dass wir in dem Festvortrag von Herrn Dr. Mößle gleich einige Antworten auf die Frage finden, warum Männer so viel weniger zur Psychotherapie kommen. Möglicherweise können wir als niedergelassene Psychotherapeuten ja aus dem Vortag von Dr. Mößle lernen, wie die Psychotherapie Männerfreundlicher werden kann.
Vielleicht brauchen wir auch neben dem Numerus Clausus andere Zugangsvoraussetzungen zum Beruf des Mediziners und Psychotherapeuten. Die weiblichen Abiturientinnen habe heute einen signifikant besseren Notendurchschnitt als die männlichen. Vielleicht studieren deshalb so viele Frauen Psychologie und Medizin.
Ich meine, wir brauchen auch in Zukunft breitere Zugangsmöglichkeiten zum Beruf auch für Interessenten, die vorher schon einen anderen Beruf gelernt haben. In meiner eigenen Biographie gibt es dafür ein Beispiel. Am Ende der 4. Klasse der Volksschule war ich nach Meinung der Lehrer zu doof für die Weiterführende Schule. Erst nach dem Ende der fünften Klasse Volkschule erhielt ich die Möglichkeit, doch noch auf die Realschule zu wechseln. Das verdankte ich einem jungen engagierten Lehrer, der gerade von der Hochschule kam.
Die oben skizierte basale Direktausbildung mit Psychotherapiestudium und fünfjähriger Weiterbildung wird 11 Jahre dauern.
Die bisherigen Ausbildungsstrukturen in Teilzeitform sind auf jeden Fall familienfreundlich. In den letzten 15 Jahren gab es in der AKJP in jedem Ausbildungskurs einige Babies im Verlauf der Ausbildung.
Meine Damen und Herren,
Wie soll die psychotherapeutische Versorgung der Zukunft in 25 Jahren aussehen?
Ich versuche aus dem bisher gesagten einige Eckpunkte zu markieren:
Die Ausbildung auf hohem Niveau muss erhalten und ausgebaut werden.
Die drei wichtigen Wurzeln des bio-psycho-sozialen Modells werden für die Ausbildungsinhalte erhalten und weiterentwickeln, nämlich die Inhalte aus der Medizin, der Psychologie und der Pädagogik.
Größeres psychotherapeutisches Angebot für alle psychischen Erkrankungen. Zur Zeit berät der GBA über eine Erweiterung des Indikationskatalogs für die Richtlinienpsychotherapie. Schizophrenie soll in den Indikationskatalog aufgenommen werden. Die approbierte Psychotherapeutin ist die umfassend ausgebildete Expertin für psychische Gesundheit und Krankheit.
Es wird mehr männliche Therapeuten in den unterschiedlichen Versorgungsbereichen geben.
Fruchtbare Kooperation der Psychotherapeuten mit unterschiedlichen Berufszugängen wird die Regel sein. PP, KJP Psychiater, Nervenarzt, Kinder und Jugendpsychiater arbeiten in ambulanten Zentren zusammen. So gesehen ist die Praxengemeinschaft Bohmter Straße 1 das Modell der Zukunft.
Es wird mehr Psychotherapeuten geben. Damit kann dann auch der epidemiologische Bedarf an Psychotherapie befriedigt werden. In meiner persönlichen Vorstellung von zukünftiger optimaler Versorgung im Bereich Psychotherapie, gibt es ebenso viele Psychotherapeuten wie Hausärzte. Es gibt eine verpflichtende wechselseitige persönliche eins-zu-eins-Kooperation zwischen beiden Bereichen.
Es gibt eine gute Kooperation zwischen stationärer Behandlung und ambulanter Anschlussbehandlung.
Es wird weniger und gezieltere medikamentöse Therapie geben.
Es wird mehr präventive Psychotherapie geben.
Approbierte Psychotherapeuten bekleiden leitende Position im Gesundheitssystem.
Das Problem der ungleichen Bezahlung zwischen Psychotherapeuten und Ärzten wird auch gelöst sein. Beide erhalten das gleiche Honorar.
Meine Damen und Herren, ich darf zum Ende kommen.
Mir bleibt noch, mich zu bedanken,
Bei meinem Volkschullehrer in der 5. Klasse, der an mich geglaubt hat,
Bei meinen Patienten, Kinder und Erwachsene, von denen ich viel über das Leben lernen durfte,
Bei meiner Familie, die meinen Weg als Therapeut, Ausbilder, Supervisor, Geschäftsführer und die damit verbundene zusätzliche Arbeit, sowie den Weg in die Berufspolitik mitgegangen ist,
Bei meinen Kolleginnen und Kollegen im Berufs- und Fachverband, in der Landes- und Bundeskammer, in der Landes KV und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung für die kollegiale Zusammenarbeit,
Bei den früheren und heutigen Kolleginnen und Kollegen aus der Praxengemeinschaft Bohmterstraße 1. Es ist schön mit Euch.
Bei den Mitarbeiterinnen im Büro und in der AKJP, besonders bei Carola Kemper, Marion Schrameyer und Thyra von Heyden für die unermüdliche Unterstützung.
Danke.